Galvanoanlagen und noch stärker Abwasseranlagen sind verfahrenstechnische Anlagen, obwohl sie teilweise wie Maschinenbau aussehen. Eine verfahrenstechnische Anlage hat aber entscheidende Besonderheiten:
Verfahrenstechnische Anlagen sind Anlagen zur Durchführung von Stoffänderungen und Stoffumwandlungen mit Hilfe zielgerichteter physikalischer und/oder chemischer und/oder biologischer und/oder nuklearer Wirkungsabläufe.
Blass „Entwicklung verfahrenstechnischer Prozesse“ Springer Verlag, 1997
In der verfahrenstechnischen Anlage findet das Verfahren bzw. der verfahrenstechnische Prozess statt. Verfahren + verfahrenstechnische Anlage = verfahrenstechnisches System.
Diese Systematisierung klingt furchtbar theoretisch, ist aber von essentieller Bedeutung. In der betrieblichen Praxis wird das verfahrenstechnische System auf die Anlagentechnik reduziert und Auftraggeber und Anlagenbauer diskutieren technische Details. Die Frage nach dem Verfahrensgeber und dessen Verantwortung für den Prozess wird nicht gestellt.
Das Verfahren (in der Galvanotechnik die Beschichtung, in der Abwasseraufbereitung die Behandlung) wird durch den Verfahrensgeber vorgegeben, der trägt auch die Verantwortung für den Erfolg des Prozesses. Nicht der Anlagenbauer!
Dieser kleine aber feine Unterschied wird in der Praxis häufig nicht beachtet. Der Auftraggeber geht stillschweigend von einer verfahrenstechnischen Verantwortung des Anlagenbauers aus, der Anlagenbauer versteht den Auftraggeber als Verfahrensgeber. Dieses Mißverständnis birgt ein großes Konfliktpotenzial, wenn nach der Inbetriebnahme die Beschichtung nicht fehlerfrei funktioniert. Es folgt häufig eine Reklamationstour, die auf beiden Seiten Nerven und Geld kostet.
Noch prägnanter wird der Unterschied zwischen Verfahren und Anlagentechnik bei den Abwasseranlagen. Die Frage der Grenzwertüberschreitung kann nicht an der Anlagentechnik festgemacht werden. Die pH-Messung funktioniert schon einwandfrei, aber die Einstellungen haben das Problem verursacht. Dieses Beispiel zeigt die Rolle des Bedieners und dessen Qualifikation (siehe hier die gelben Ostereier) deutlich.
Verfahrenstechnische Anlagen sind eben kein Maschinenbau und haben eine Reihe von Besonderheiten im Engineering und der Projektabwicklung. Es lohnt sich sowohl für Auftraggeber wie auch Auftragnehmer einen Blick auf die Phasen beim verfahrenstechnischen Anlagenbau zu werfen.
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Aus diesem Phasenmodell (nach Klaus H. Weber) wird deutlich, dass es mehr als einen Kaufvertrag für eine Anlage benötigt, um erfolgreich und friktionsfrei eine verfahrenstechnische Anlage in Betrieb zu nehmen und in den Dauerbetrieb zu übernehmen. Hierzu mehr im nächsten Ei